Im Jahr 1812 gründete Georg Philipp Gail in Gießen eine Tabakfabrik, auf die 1857 eine Filiale in Rodheim folgte. Hinter seinem Rodheimer Anwesen legte er einen kleinen Park an, der durch seinen Sohn Karl 1880 mit einem Schweizer Haus geschmückt wurde.
Unter dem Enkel von Georg Philipp, dem späteren Kommerzienrat Wilhelm Gail, der 1891 die Gail’sche Dampfziegelei und Tonwarenfabrik gründete, erreichte der Park mit dem Neubau einer Villa um 1896 seine heutige Ausdehnung. Wilhelm Gail heiratete 1883 Minna Mahla, die Tochter eines Chemiefabrikanten aus Chicago. Beide waren durchdrungen von dem Traum, für sich ein Paradies, ein Sehnsuchts- und Glücksland als Sommersitz außerhalb der Stadt zu schaffen. Zur Hochzeit wurde von Wilhelm der untere vorhandene Park neu gestaltet. Die große Erweiterung nahmen sie im Jahr 1893 gemeinsam in Angriff. So beginnt die schicksalhafte Geschichte von Wilhelm und Minna Gail, eine Geschichte von Liebe und Glück, von Kummer und Leid und eine aussergewöhnliche Geschichte einer Parkleidenschaft. Kein geringerer als der berühmte Frankfurter Gartenarchitekt Andreas Weber wurde konsultiert und nach Gießen gebeten. So entstand durch Wilhelm und Minna gemeinsam mit dem Gartenarchitekten einer der schönsten kleinen Landschaftsparks in Hessen.
Noch vor Fertigstellung des Parks wurde die Familie durch einen schweren Schicksalsschlag getroffen. Minna erkrankte 1895 an Krebs und wurde von ihrem Leiden im Jahr 1898 erlöst. Den 1896 fertiggestellten Park konnte sie nur kurze Zeit geniessen. Nach ihrem Tod beschrieb Wilhelm seine Gefühle zum Rodheimer Park mit den Worten: „Jetzt, nachdem das unerbittliche Schicksal dem Rodheimer Besitz die belebende und erwärmende Sonne genommen, ist das Ganze für mich eine grausame Mahnung an mein geschwundenes Glück.“