Schweizer Häuser werden Mitte des 19. Jahrhunderts als Staffagebauten in Landschaftsgärten sehr bevorzugt. Die Schweizer Landschaft, ein beliebtes Reiseziel der Zeit, soll als Miniaturobjekt dargestellt werden.
Karl Gail baute 1880 für seine zweite Frau Marie ein am oberen nördlichen Rand des ersten kleinen Rodheimer Parks platziertes Gartenhaus im „Schweizer Stil“. Wie später sein Sohn Wilhelm bietet er seiner Braut als „Morgengabe“ außerhalb der Stadt einen schönen Aufenthaltsraum im Grünen. Keinen geringeren als Gießener Hochschullehrer für Architektur Hugo von Ritgen beauftragte Karl mit der Planung. Dieser ist durch seine langjährige Arbeit an der Wartburg in Eisenach, der er ihr heutiges Gesicht gab, sehr bekannt.
Eine Besonderheit sind die zahlreichen Andreaskreuze im Fachwerk. Hugo von Ritgen hat dem Häuschen damit seinen Charakter gegeben. Sie sind unter den Fenstern in waagerechter und in den Gefachen neben den Fenstern in senkrechter Ausdehnung eingesetzt. Dabei ist die Anordnung der Fenster in den sich gegenüberliegenden Wänden gleich. So kann man jeweils durch das Haus „durchschauen“. Auch die oberen Abschlüsse der Fenster sind, wie die Tür in die Andreaskreuze eingebunden und stellen mit den bunt verglasten Oberlichtern ein besonders Schmuckwerk am Gebäude dar. Selbstverständlich übernehmen die Andreaskreuze auch die statischen Anforderungen. Die Südseite des Hauses ist als „Schauseite“ ausgebildet und besitzt mittig über dem Kellereingang angeordnet eine mit reichhaltiger Durchbruchschnitzerei gezierte Veranda.
Das Schweizer Haus wurde 2018 / 2019 saniert und dient heute dem Freundeskreis als kleiner Veranstaltungsraum und der Gemeinde Biebertal als Standesamt.